Fidele Dörp: St. Augustinus / Ricklingen

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Die Passion Jesu einmal anders

von Wolf-Dieter Rennecke

Winfried Dahn im Gespräch mit Bischof Hans-Jörg Voigt (SELK)„Den Besuch eines evangelischen Bischofs hat es in St. Augustinus noch nie gegeben“, freut sich Senior-Organist Winfried Dahn. Zum Konzert am 1. Fasten-/Passionssonntag begrüßt er Hans-Jörg Voigt, Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), und spricht mit ihm über ökumenische Kontakte der Kirchen untereinander. Bischof Voigt ist im bundesweiten Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und hat auch Verbindungen zum katholischen Bistum Hildesheim. Beide sind sich einig, dass Musik in Zeiten gesellschaftlichen Wandelns eine resonanzfähige Funktion hat.

Die Losung des in diesem Jahr in Hannover stattfindenden Evangelischen Kirchentages „Prüft alles und behaltet das Gute“, kombiniert mit dem Augustinus zugeschriebenen Ausspruch „Singen ist doppeltes Beten“, führen im Gespräch hin zu dem Passionskonzert „Crucifixus“ der Capella Nova, Kantorei im Bezirk Niedersachsen-Süd der SELK.

Im Mittelpunkt steht die frühbarocke Johannes-Passion von Christoph Demantius aus dem Jahr 1631. Von seinem Zeitgenossen Heinrich Schütz und von Johann Sebastian Bach sind wir es gewohnt, dass sie in ihren ergreifenden Passions-Berichten über Leiden und Sterben Jesu Solisten und Solistinnen auftreten lassen – den Evangelisten, Jesus, Pilatus, Petrus, Diener und Dienerin. Der Chor singt die „Stimme des Volkes“ und betrachtende Kommentare.
Anders bei Demantius: Er lässt den ganzen Chor die Passionsgeschichte sechsstimmig vortragen. Chorleiter Carsten Krüger führt die mehr als 30 stimmsicheren Sängerinnen und Sänger einfühlsam entsprechend der dargestellten Situation durch das dramatische Geschehen, mal im Wechsel der Tempi, mal lauter, mal leiser, mal straffer, mal sanfter.

Chorleiter Carsten Krüger
Chorleiter Carsten Krüger

Einen langen Text in größerer Gruppierung verständlich vorzutragen, erfordert exakte Aussprache-Präzision. Die S- und Zischlaute am Ende einer Passage müssen deutlich sein. Da traut sich manche Sängerin und mancher Sänger nicht zu patzen. Im Begleitheft sind alle Texte abgedruckt, auch mit Übersetzungen der lateinischen. So können die Zuhörenden die Gesänge genussvoll mitvollziehen. Carsten Krüger ummantelt die Passionsgeschichte mit thematisch passenden Motetten verschiedener Epochen, anfangs, am Ende und zwischendurch.

Capella Nova
Capella Nova

So wird das Passionsgeschehen nochmals betrachtet; eingangs mit der Kernaussage „Crucifixus“ von Antonio Lotti 1717 (Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, ist gestorben und begraben worden). Weiter mit Anton Bruckners romantischem „Christus factus est“ von 1884 (Christus ist für uns gehorsam geworden bis in den Tod), „Plange quasi virgo“ (Klage wie eine Jungfrau) und „Omnes amici“ (Alle meine Freunde haben mich verlassen) von Carlo Gesualdo di Venosa (1611). Aus unserer Zeit stammt wie das letzte Stück „God so loved the world“ von Bob Chilcott (1999).

Bischof Hans-Jörg Voigt (SELK)
Bischof Hans-Jörg Voigt (SELK)

Den Wechsel in Stil, Aussage und historischem Hintergrund der Stücke meistert der Chor unter der feinfühligen Führung des Dirigenten in nachvollziehbarer Bravour. Am Ende der Passionsgeschichte tritt Bischof Voigt an den Altar und spricht ein Dankgebet. Nach dem gemeinsamen Vaterunser spendet er den bischöflichen Segen. Das tiefreligiöse Musikerlebnis von hoher Qualität wird zur Liturgie.


Capella Nova unter der Leitung von Carsten Krüger in St. Augustinus

Zum Schluss singt der Chor „Unicornis captavitur“ (Das Einhorn wird gefangen), eine allegorische Komposition des Norwegers Ola Gjeilo aus 2001. Danach ist ergriffene, eindrucksvolle Stille, bevor angemessen verhaltener, aber lang anhaltender Beifall den Chor verdient belohnt.

Links & Adressen
Kirchenmusik an St. Augustinus
Artikel: Winfried Dahn
Fotos: Peter Soluk, Winfried Dahn
Nöthel 2025