Musik trifft Literatur – Ehrung für Walter Lobenstein
von Wolf-Dieter Rennecke
Erntedankfest 2024. Vor dem Altar der Ricklinger St.-Augustinus-Kirche stehen zwischen Gemüse, Obst und Ähren Exemplare der Zeitschrift „WEGWARTEN“, sozusagen „geistige Früchte“, für die Dank zu sagen ist; denn „der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Ihr Autor und Herausgeber, Walter Lobenstein, ist trotz seines hohen Alters von 94 Jahren zeitweise anwesend, bescheiden incognito. Ihm gilt die Veranstaltung, seine Person und sein Lebenswerk zu ehren.
Er lebt mitten unter uns in Oberricklingen, aber bekannt ist er wohl eher in literarischen Kreisen als national und international anerkannter Verfasser und Herausgeber zahlreicher Publikationen wie Gedichten und Geschichten und Rundfunk-Beiträgen. Seit 1961 gibt er die WEGWARTEN heraus, eine „Literarische Zeitschrift für Einzelne“ mit eigenen Beiträgen und solchen anderer Literaten.
Sein Anliegen ist es, dass Menschen sich begegnen, gegen Vermassung und Vereinsamung.
![Walter Lobenstein mit Winfried Dahn und das Bondarenko-Quartett](2024-10-06-Lobenstein-Collage_tn.jpg)
Walter Lobenstein (r.) mit Winfried Dahn (Bild links) und das Bondarenko-Quartett (Bild rechts)
Hier oder Bilder anklicken für mehr
Ein Kammermusik-Konzert des Bondarenko-Quartetts war der würdige Rahmen für die Rezitation von Lobensteins „1. Elegie“, die der Organist und Leiter der Veranstaltung, Winfried Dahn, in Abwechslung mit den musikalischen Darbietungen vortrug. Diese „Elegie“ wirkt wie ein Rückblick und Resümee eines langen Lebens. Sie endet mit den Versen:
Noch einmal
den Wein trinken,
von dem wir das Jahr wissen,
die Zunge bewegen,
uns erinnern,
uns besser erinnern.
Den Tisch zu zweien verlassen.
Noch einmal
mit Blume und Buch
die Stunde verwöhnen,
Rosen ins Blut nehmen
und Gedichte lieben.
Das Bondarenko-Quartett mit Musikern aus Hannover, Hildesheim und Göttingen (Alexander Bondarenko und Jonas Hartke, Violine, Wolfgang Volpers, Viola und Chun Yin Pang, Violoncello) brachte mit den warmen Klängen der Streichinstrumente den Kirchenraum zum Mitklingen. Georg Friedrich Händels Passacaglia in der Interpretation von Sergei Aslamasyan überraschte durch die Beschränkung auf Streichinstrumente mit für ein Händel-Werk ungewohnten Klangfarben. Das ausdrucksstarke Spiel der Instrumente bei Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ Nr. 14 d-Moll ließ Monologe und Dialoge der beiden Beteiligten erahnen, Aufbegehren, Verzweiflung, aber auch Besänftigung. Quasi sphärische Klänge ließen an Auferstehung denken.
Musikalischer Höhepunkt war Dmitri Schostakowitschs Quartett Nr. 8 c-Moll. Dieses Quartett, wohl sein bekanntestes Werk, ist offiziell den Opfern des Faschismus und des Krieges gewidmet. Eine Würdigung nennt dieses aufführungstechnisch sehr anspruchsvolle Werk „ein Stück klingende Autobiografie, einen düsteren, manchmal verzweifelnden, manchmal resignierenden Rückblick auf die bitteren Erfahrungen eines grauen und unglücklichen Lebens“. Melancholisch, dann wieder aufwühlend heftig, streckenweise atonal, meint man die Schreie Unterdrückter, Wimmern und Klagen und die Schläge von Peinigern zu hören. Der Schluss verhallt friedlich im Pianissimo.
Lang anhaltender Beifall belohnte die Künstler für eine begeisternde Darbietung.
"Musik trifft Literatur" auf Youtube
Schauen Sie sich das Kammerkonzert des Bondarenko-Quartetts zu Ehren des Lebenswerkes Walter Lobensteins auf Youtube an.
h1 sendet die Aufzeichnung in seinem Programm am 1. November 2024 um 20.15 Uhr.